Ödipaler marxistischer Gemüseporno
Zu Robert Menasses "Don Juan de la Mancha"
15.09.2007
Geil: Ödipaler marxistischer Gemüseporno derzeit auf Platz 1 sämtlicher österreichischen Bestsellerlisten!
Don Juan de La Mancha oder: Robert Menasse beglückt die Welt mit horizontalen Erkenntnissen
Was für ein Titel für einen Roman: „Don Juan de La Mancha“. Das weckt doch Hoffnung auf eine selbstironische, erotische, vergnügliche Lektüre. Doch leider: dieser Roman ist eines der langweiligsten Bücher, das ich seit langer Zeit gelesen habe und wird in diesem Bücherherbst hoffentlich von niemandem getopt werden.
Was hier von der Kritik überschwänglich als brillante Zeit- und Milieustudie, mit pointierter Leichtigkeit geschrieben etc. blah, blah, blah bezeichnet wird, erscheint mir als radikale Oberflächlichkeit, die ich in dieser Selbstverständlichkeit schon lange nicht mehr als Lesetipp serviert bekommen habe. Ausgemessen, durchkonstruiert und, von der ersten bis zur letzten Seite, sensationslüstern und selbstverliebt schickt Robert Menasse die Leserschaft auf die Reise mit einem Protagonisten, dessen Dasein als Don Juan völlig unverständlich bleibt. Warum sich überhaupt eine weibliche Figur in diesen Mann verliebt, ist rätselhaft. Dieses Buch ist nicht erotisch, es ist nicht witzig. Es ist keine Satire, sondern eine Verarschung des gesamten Literaturbetriebs. Das einzige, was uns Robert Menasse beispielhaft vor Augen führt ist, dass das Vermarktungsprinzip „sex sells“ auch bei ihm hervorragend funktioniert, und die Presse führt uns vor Augen, dass es in Österreich offensichtlich keine Literaturkritik, sondern nur noch Literaturlobhudlerjodler- und jodlerinnen gibt. Die einzige kritische Stimme zu diesem Buch, fand ich irgendwo in den Tiefen des Internets in Deutschland.
Worum geht’s?
Dem Protagonisten Nathan ist in einer langjährigen Ehe, die Lust an der Lust abhanden gekommen. Er betrügt seine Frau mit einer potenten, emanzipierten Geliebten, die ihn mit scharfem Gemüse penetriert und ihm mit dieser Methode die Lust an der Lust gänzlich raubt. Mithilfe einer hässlichen Therapeutin will der Protagonist seine Lust rekonstruieren. Zu diesem Zwecke erzählt er ihr widerwillig die Geschichte seines erotischen Lebens.
Als Erzähltechnik hat Menasse den permanenten coitus interruptus gewählt. Kaum ist eine Geschichte angefangen, ist sie auch schon wieder zu Ende. Fast-Food-Affären surfen auf den Wellen eines schalen Ödipusdramas dahin, das mit einem pathetischen-lächerlichen Gemüse-Porno beginnt: Chili. Mit Meerrettich (Hoffentlich aus biologischem Anbau!) hört es dann auf. Dieses Ödipusdrama, wurde bereits in Menasses früheren Werken ausführlich abgehandelt, was den Schluß zulässt, dass den Autor dieses Problem nachhaltig beschäftigt.
Sprachlich bedient sich Menasse eines plattfüßigen Symbolismus, der wohl eine Mischung aus Barbara Cartland und Leo Trotzki darstellen soll. „Das Reh fühlte sich durch die Ambitionen des Jägers geehrt“ „Ich hatte also die Kraft der Jugend und den Druck eines Stausees.“ „Ihre kleinen festen Brüste, wie die Bäuche von Vögeln, die aus dem Nest gefallen waren“. (Die Reihe dieser stilistischen Lächerlichkeiten ließe sich endlos fortsetzen,) Rehe kopulieren mit Staudämmen? Eine bezaubernde Idee! Frauen sind Tiere? Männer Maschinen?
Dann sei mir bitte noch dieses hier erklärt: Wenn jemand einen Roman über Erotik im ausklingenden 20. Jahrhundert schreibt, der auch vom Scheitern der Lust in dieser Zeit erzählt, wieso blättert dieser Mensch in Trotzkis gesammelten Werken herum? Was ist da los? Was sucht der in den Aufzeichnungen eines Kriegskommissars?
Robert Menasse erklärt uns das. „Die Weltrevolution als Voraussetzung für einen Orgasmus?“Das kann dauern! Abgesehen davon war diese These schon in den siebziger Jahren widerlegt als der Protagonist sein Dasein als Don Juan begann: Trotzki hatte einen Sohn! Außerdem gab es in den siebziger Jahren eine nicht unbedeutende Gegenthese, nämlich diese da: Der Orgasmus als Voraussetzung für die Weltrevolution! (Mittlerweile übrigens auch widerlegt.) Was ist damit Herr Menasse? Schon vergessen oder immer schon verkehrt herum verstanden? Hat man in dieser Zeit nicht Bukowski und Henry Miller gelesen? Gab’s da nicht eine Frau namens Anais Nin? Lag nicht irgendwo die Josefine Mutzenbacher versteckt unter den blauen Bänden des Marxismus. Im Kino spielte es „Das große Fressen“, „Der letzte Tango“ und die Wirtinnen-Filme von Franz Antel. Hat der Protagonist das alles nicht anschauen und lesen dürfen oder sich aus Gründen der marxistischen Selbstzensur immer nur den Panzerkreuzer Potemkin reingezogen…oder wie?
Besonders enervierend: der marxistische Symbolismus. Da wohnt der Protagonist zuerst in der Marxer-Gasse, um dann zuzugeben, dass er eigentlich in der Lassallestrasse gewohnt hat und die Marxer-Gasse nur erfunden hat, um die hässliche Therapeutin zu ärgern. Selbst Autoren von Horror-Romanen, die den Symbolismus brauchen wie die Luft zum Atmen, tarnen ihre Symbole geschickter und vermeiden es ihre Leserschaft mit subkutanen, messianischen Botschaften permanent zu erschlagen.
Nachdem der Protagonist mit etlichen Beziehungen gescheitert ist, findet er dann endlich eine Frau, die rein zufällig Beate heißt (beatus, lateinisch: glücklich). Er heiratet also „die Glückliche“. Wird wieder unglücklich mit ihr, betrügt sie mit einer anderen, potenteren Frau, die schließlich zur phallischen Mutter mutiert und sein Unglück neuerlich besiegelt. Also bleibt der Protagonist bei Beate – seiner Frau.
In der Hardrock-Musikszene gibt es dafür einen Ausdruck, der – wenn mich nicht alles täuscht – motherfucker heißt. Der ist zwar hässlich, politisch sicherlich einigermaßen unkorrekt, bringt aber doch einiges auf den Punkt, was man sonst umständlich erklären müsste.
In diesem Zusammenhang liest sich der Satz „Die Geschichte der Liebe ist eine Geschichte von Freiheitskämpfen“, der großspurig auf der Rückseite des Buches prangt als marktschreierische Zumutung erster Wahl. Liebe kommt in diesem Buch nur in homöopathischer Dosierung vor. Sehr hübsch und heimelig wird es immer dann, wenn der Protagonist die Beziehung zu seiner Mutter beschreibt. Warum die anderen Figuren Beziehungen zum Protagonisten eingehen, bleibt völlig rätselhaft und unverständlich. Wer sich hier wovon befreit, bleibt ebenfalls dahingestellt. Vielleicht die Geliebten vom Protagonisten? Der Protagonist befreit sich jedenfalls von gar nichts und dreht sich wirr und frustriert im ödipalen Kreis, um uns dann zum Abschluss diesen Satz zu schenken: man ist ja immer auch ein bisschen unglücklich, wenn man glücklich ist.
Ich glaube mich zu erinnern, dass diese Weisheit bereits von meiner Großmutter vermarktet wurde. Sie wurde leider nie berühmt. Sie pflegte es mit den Worten auszudrücken: „Das Glück ist ein Vogerl“…in diesem Fall haben wir es eben mit einem analfixierten, vögelnden Vogerl zu tun, das permanent unter dem Zwang leidet alles, was es zusammenvögelt marxistisch oder philosophisch belegen oder interpretieren zu müssen, was uns schnurstraks zu Neurose Nr. 2 führt. Aufgepasst, die geht so:
In seinen Interviews spricht Robert Menasse gerne von seltsamen Zufällen, die ihn zu den Handlungen seiner Romane gleichsam wie durch Feenhand hingezaubert haben. Seltsam, seltsam diese permanenten Zufälle. Waltet hier vielleicht eine Gottheit? Haben wir es am Ende gar mit einem Auserwählten zu tun, der uns anhand verkrampfter Liebschaften und bizarrer ödipaler Beziehungen das Phänomen Dialektik beibringen will, getrieben von jener geheimnisvollen, anonymen Macht, indem er immer und immer wieder marxistische Klassiker in seine Texte hineinbrezelt, holzhammerzart?
Man wird bei der Lektüre von Robert Menasses Werken den Eindruck nicht los, dass der Autor seinen Vaterkomplex ungeniert und unhinterfragt auf Hegel, Marx und Trotzki übertragen hat und immer noch darauf wartet, dass diese Dreifaltigkeit eines Tages aus dem marxistischen Himmel herabsteigen wird, um nur einen Satz zu sagen: Brav hast das gemacht, Robert! (In diesem Buch dürfen auch noch Wilhelm Reich und Sigmund Freud als Ideen-Väter mitspielen)
An diesem Tag der Entrückung des Robert Menasse ins marxistische Paradies möchte ich bitte von den Klingonen entführt sein, auf einem anderen Planeten weilen – in Haft oder in Freiheit, völlig wurscht –, ich möchte nur dieser Peinlichkeit entgehen, Zeuge eines metaphysischen Anachronismus sein zu müssen, den man eigentlich überwunden glaubte. Von mir aus soll in meinem klingonischen Exil daran geglaubt werden, dass alle hundert Jahre ein massiver Quantensprung vom heiligen Zwerg Bumsti eingeläutet wird. Das Horn der Vernunft bläst einen schrecklichen Ton und alle sind plötzlich intelligenter. Verpasst man diesen Ton, muss man zwei Kraftfelder zurück fahren, in Raumschiff Orion mitspielen und diese depperten Perücken tragen. Vieles ist denkbar. Bloß eines nicht: Robert Menasse als vierte, ewig frustrierte Gottheit des Marxismus. Bitte nicht!
Als Franz Antel des Marxismus wurde Robert Menasse ja auch schon bezeichnet. Da muss ich aber einwenden, dass die „Wirtinnen-Softpornos“ des Franz Antel nicht im ödipalen Zirkel kreisen, insofern ist der Vergleich leider falsch. Franz Antel war wahrscheinlich doch ein Verfechter der These: Ohne Orgasmus keine Weltrevolution. Ohne es zu wissen wahrscheinlich. Was soll’s.
Die Tatsache, dass Robert Menasse ein so entbehrliches Buch geschrieben hat, ärgert unter anderem auch deshalb, weil ich ihn als Essayisten sehr schätze und seine politischen Diskussionsbeiträge nicht missen möchte, auch wenn ich seine Meinung nicht immer teile.
So möchte ich denn meine harschen Worte mit einer Bitte abschließen: Schreib noch was Robert, aber verschon uns bitte endlich mit deinem Ödipuskomplex, oder wenn es schon nicht dein eigener ist, dann mit dem, den du dauernd von Freud abschreibst. Das langweilt schon die längste Zeit und wurde von Hitchcock in Psycho bereits besser bearbeitet.
Der Vaterkomplex könnte auch einmal aufgearbeitet werden, dann würde vielleicht endlich dieses augenzwinkernde, von sich selbst begeisterte Marxismus-Geblödel aufhören und die permanenten Reflexionen mitten im Erzählfluss dorthin verschwinden, wo sie hingehören: in die Sekundärliteratur oder in den Essay.
Im Grunde werden nur allzu bekannte Theorien ausgeborgt und menassisch überblödelt. Dazu wird uns immer auch eine Träne gereicht. Clowns sind ja bekanntermaßen auch immer so traurig. Schluchz.
Wenn ein Autor seinen Roman im Roman permanent erklären muss, die Kritik vorwegnimmt, die Handlung auf ein Zitat oder eine Erkenntnis hinkonstruiert, die nicht von ihm selbst stammt, dann bewegt er sich im redundanten Zirkel einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, die ich als entbehrlich empfinde. Ich weiß, was ein Ödipus-Komplex ist und möchte dazu nicht Pink Floyd hören! Die Musik der siebziger Jahre, die ein so wichtiger Motor der Jugendprotestbewegungen war, ist bei Menasse reduziert auf einmal Pink Floyd und einmal Uriah Heep erwähnen, aber das ist nur ein Beispiel für Auslassungen, die schmerzen. Das Prädikat Milieustudie ist jedenfalls viel zu hoch gegriffen und im Grunde eine Beleidigung des gesamten Milieus dieser Zeit. Die Vielfalt des kritischen Denkens der siebziger-Jahre herabgewürgt auf das stilistische Niveau der zeitgenössischen Yellow-Press: Meerettich im Arsch! (Heißt in Österreich übrigens immer noch Kren) Wahnsinn! Wow! Das ist ja scharf!
Der Schlüssel zu diesem Roman befindet sich meiner Meinung nach auf Seite 243. Hier gesteht Nathan – der Protagonist – seiner Therapeutin:
„Er lehnte es ab, seinen Frust mit „dem anderen schönen Geschlecht – für solche Kalauer war er im Freundeskreis bekannt“- aufzuarbeiten, wie es damals hieß. Er hatte Arbeit genug.“
Scheint mir auch so, dass dieser Roman mal so zwischendurch zusammengeschustert wurde. Wenn man auf 273 Seiten ca. fünf Beziehungen, eine Ehe und das Scheitern der Weltrevolution beschreiben will, dann kann das nur ziemlich flach werden und für die herbeigesehnte Lust oder für das Glück bleiben dann eben nur ein paar Kalauer übrig, die man im Grunde schon kennt. Hudeln bringt’s nicht. Hat meine Großmutter auch schon gesagt.
Es gibt aber durchaus noch Bücher, die nicht geschrieben sind und Sätze, die meine Großmutter nicht gesagt hat. Ich hätte da eine Wunschliste:
Das marxistische Witzebuch
Marxistische Gute-Nacht-Geschichten
Die marxistische Micky Maus
Das marxistische Kochbuch
Marxistische Märchen
Hegel auf dem Mars,
Trotzki in der karibischen See
Der rote Vampir
Und last but not least: Nächte mit Rosa in Luxemburg
Darauf warten wir Robert. Bitte schreib das!
Helmuth Salzer
P.S.: In dem Roman wird deutlich, dass der Protagonist die Psychoanalyse als Hilfsmittel zur Selbstfindung ablehnt. Deshalb ist die Therapeutin hässlich und er belügt sie auch dauernd und findet das lustig. Es gibt aber doch jemanden, der die uneingeschränkte Wahrheit erfahren darf: der Leser/die Leserin. Danke Robert, danke. Alle Welt darf jetzt deinen Roman analysieren. Sehr schlau!
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