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"Guter Moslem, böser Moslem" - Amerika und die Wurzeln des Terrors

Paul B. Kleiser

24.04.2007

Das neueste Buch des Politologen und Anthropologen Mahmood Mamdani beschäftigt sich vor dem Hintergrund der Anschläge des 11.September mit den theoretischen Debatten und praktischen Konzeptionen der US-Außenpolitik in der "abschließenden Periode des Kalten Krieges", die er von der Niederlage der USA in Vietnam 1975 bis zum Ende der Sowjetunion ansetzt, sowie der Entwicklung des "politischen Islam", die ohne eine Analyse der US-Politik nicht zu verstehen sei. Das Buch behandelt somit vor allem die "Stellvertreterkriege" der 80er Jahre und die Weiterentwicklung des Afghanistan-Konfliktes in den 90er Jahren. Im Unterschied zu vergleichbaren Büchern von Tariq Ali, Gilbert Achcar oder John Cooley geht es auch auf die afrikanischen Konfliktherde (Kongo, Angola, südliches Afrika, Liberia) ein.
Mamdani wurde zwar in Bombay geboren, wuchs aber in Kampala (Uganda) auf und studierte und lehrte an verschiedenen afrikanischen Universitäten, bevor er vor einigen Jahren einen Lehrstuhl an der New Yorker Columbia-Universität übernahm. Seine Herkunft aus der Dritten Welt macht ihn zu einem besonders luziden Kritiker der imperialistischen und rassistischen Grundlagen der Politik der USA und darüber hinaus des "Westens".
In seiner Einleitung kritisiert Mamdani die im Schwange befindlichen naiven Absagen an die Gewalt. Er zeigt auf, wie seit der Französischen Revolution die Gewalt geradezu "als Hebamme der Geschichte" gesehen wird. Die Verstörung in der Moderne komme höchstens dann zum Vorschein, wenn "Gewalt sinnlos erscheint", wenn sie sich "nicht durch den Fortschritt rechtfertigen" lässt. Diese Gewalt werde dann "in kulturellen Kategorien", wenn es sich um eine vormoderne Gesellschaft handelt, oder in "religiösen Kategorien" bei modernen Gesellschaften, aber eben als "Mangel an Moderne" diskutiert. Das Attentat auf das World Trade Center mache da keine Ausnahme. Der Unwille, sich konkret mit Ursachen und Bedingungen von Gewalt auseinander zu setzen, führe zur Anwendung "theologischer Kategorien", so auch zu Reagans Kampf gegen das "Reich des Bösen" oder Bushs "Achse des Bösen".
Seit der spanischen Reconquista mit ihrer Vertreibung der maurischen und jüdischen Bevölkerung ist die westliche Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols von einem Prozess der Ausgrenzung nach Merkmalen der "Rasse" unterlegt, der im 19.Jahrhundert, in der Zeit des Imperialismus, in praktisch allen westlichen Ländern zur Vorstellung führte, die Erde zwecks Höherentwicklung der Zivilisation von niedrigen Rassen "befreien" zu müssen. Ausrottungsfeldzüge oder -kriege wurden daher nicht ernsthaft kritisiert. Doch die Historiker der Genozide hätten zumeist nur eine Seite gesehen, die Vernichtung der Eingeborenen durch die Siedler. Die andere Seite, nämlich die Umkehrung, die für Mamdani in vielen Ländern der Dritten Welt am Werk ist, habe erst Frantz Fanon beschrieben: Auch Opfer können zu Mördern werden. Der "politische Islam" (oder Islamismus — den Begriff islamischer Fundamentalismus lehnt Mamdani ab) sei seit Anbeginn eine Gegenbewegung zum Kolonialismus gewesen, aber zum Mittel des Terrors habe er erst im Zusammenhang des Kalten Krieges und der Gründung des Staates Israel gegriffen.
Mamdani nimmt sodann den vorherrschenden "Kulturdiskurs" kritisch auseinander, der hierzulande vor allem durch Huntingtons "Kampf der Kulturen" bekannt geworden ist. Dieser Diskurs, der besonders von Wasserträgern des
politischen Establishments und den Massenmedien in die Welt gesetzt worden sei, schreibe bestimmten Kulturen quasi unveränderliche Merkmale zu, so dem Islam eine immanente Unfähigkeit zur Demokratie.
Mamdani zitiert den Historiker Hodgson, der nachwies, dass sich das Verständnis von dem, was "Westen" genannt wurde, vielfach geändert habe. Die eurozentristische Sicht, die sich mit der "Moderne" durchgesetzt habe, habe gleichzeitig zwei "Peripherien" konstruiert: "eine sichtbare und eine unsichtbare". Erstere war der Orient, der als "Gefahr" gesehen wurde (die gelbe Gefahr, die mongolischen Horden) und den man unbedingt unter Kontrolle bringen wollte (siehe neuerdings die Kriege in Afghanistan und im Irak). Die letztere ist Afrika, dessen Beitrag zur menschlichen Zivilisation völlig verdunkelt wurde (die ägyptische Hochkultur wurde Asien zugeschlagen).
Die beiden weiteren Kapitel beschäftigen sich mit der Art und Weise, wie die Reagan-Regierung das Verbot geheimer Finanzierung kriegerischer Aktivitäten durch den US- Kongress unterlief und wie sie dabei mit Israel, dem Südafrika der Apartheid und sogar dem Iran der Mullahs kooperierte. Für die islamische Welt sei das völlig straflose Handeln Israels, das sich einen Dreck um das Völkerrecht schert und tagtäglich Terror praktiziert, eine Quelle des Zorns — wobei in den USA Israels Rolle überhaupt nicht diskutiert werde.
Ausführlich geht Mamdani auf die Finanzierung der Kriege in Mittelamerika und in Afghanistan mittels der Kooperation mit Drogenbaronen (Escobar, Hekmatyar!) und der Ausweitung des Drogenanbaus und -handels ein; dabei kann er sich auf die umfänglichen Arbeiten von Alfred McCoy stützen (Die CIA und das Heroin, Verlag Zweitausendeins, 2003).
Dass sich die USA in Afghanistan durch ihren Pakt mit den übelsten Islamisten in die Rolle eines Zauberlehrlings brachten, der die Geister, die er rief, nicht mehr los wird, ist in zahlreichen Veröffentlichungen untersucht worden. So findet nun das CIA-Handbuch über "strategische Sabotage" (nicht nur) in islamischen Ländern weite Verbreitung. Der "Flirt mit dem Terror" führe in den USA selbst zu einer "zunehmenden Erosion der Pressefreiheit und der Demokratie", stellt Mamdani fest. Doch aus Vietnam ergebe sich die Lehre, dass nur eine starke "Antikriegs- und antiimperialistische Bewegung" in der Lage sei, der US-Militärmacht und ihrem zunehmend gesetzlosen Agieren in den Arm zu fallen. Dem wird man uneingeschränkt zustimmen können.

Mahmood Mamdani: Guter Moslem, böser Moslem. Amerika und die Wurzeln des Terrors,
Hamburg: Nautilus, 2006, 320 Seiten, ca. 20 Euro