Die mächtigste Privatarmee der Welt
Im September 2007 töten Blackwater-"Mitarbeiter" 17 irakische ZivilistInnen. Der Österreicher Bert Nussbaumer war ebenfalls "Mitarbeiter der US-Sicherheitsfirma" Blackwater: Krieg als Söldnerkrieg: Jeremy Scahill untersucht in seinem Buch die Machenschaften Blackwaters und erzählt von der Privatisierung des Krieges.
25.04.2008
2004 wurde der Name Blackwater erstmals einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als vier Mitarbeiter des privaten Militärdienstleisters in der irakischen Stadt Falludscha getötet wurden. Danach geriet Blackwater immer mal wieder in die Schlagzeilen. Allerdings weniger, weil die Firma weitere Opfer zu beklagen hatte, sondern weil ihre Privatsöldner mehrfach das Feuer auf unbewaffnete irakische ZivilistInnen eröffneten und zahlreiche Menschen ermordeten.
Seitdem ist Blackwater zu einem Synonym für die Privatisierung des Krieges und "private Sicherheitsdienstleister" geworden, die im Auftrag von Regierungen irgendwo auf der Welt gut bezahlt Krieg führen. Nicht nur ihre Anzahl wächst rasant, auch ihre Aufgabenfülle nimmt beständig zu. Jeremy Scahill, US-amerikanischer Journalist, u.a. für die linke Zeitschrift The Nation, hat jetzt ein sorgfältig recherchiertes Buch über den Aufstieg von Blackwater vorgelegt. Er widmet sich darin nicht nur der individuellen Firmengeschichte Blackwaters, die einen beispielhaften Einblick in eine Unternehmerklasse der USA gewährt, in der geschäftliches und christlich neo-konservatives Engagement Hand in Hand gehen, sondern beschreibt eindringlich auch die Logik der brutalen Besatzungspolitik im Irak und die Veränderungen, die der militärisch-industrielle Apparat der USA erlebt und vor deren Hintergrund der Aufstieg Blackwaters erst möglich wurde.
Blackwater sei, das betont Scahill immer wieder, nur ein privates Militärunternehmen neben vielen anderen, aber keines habe eine solche Erfolgsgeschichte vorzuweisen. Nach nur knapp zehn Jahren ist man vom Anbieter eines privaten Polizei- und Militärübungsplatzes in den USA zu einem Unternehmen geworden, dass über eine kleine Privatarmee verfügt: 2.300 Mann hat man ständig unter Vertrag, 21.000 - Söldner aus vielen verschiedenen Ländern - können kurzfristig mobilisiert werden. Das Unternehmen operiert heute in neun Ländern, hat - neben seinem Firmensitz in Moyock, North Carolina - Büros in Bagdad, Amman und Kuweit-Stadt, besitzt über 20 Flugzeuge, darunter Kampfhubschrauber, eine eigene Aufklärungsabteilung, baut derzeit weitere Niederlassungen in den USA, ein Trainingslager für den Dschungelkampf auf den Philippinen und betreibt eifrig Lobbyarbeit, um humanitäre Einsätze für die UN, die EU oder die afrikanischen Staaten abwickeln zu dürfen. Im Irak, wo 2003 der große Durchbruch gelang, als Blackwater die Leibwächter für den damaligen Sonderbevollmächtigen Paul Bremer stellen durfte, ist man innerhalb kürzester Zeit zu einem unverzichtbaren Standbein der US-amerikanischen Besatzungspolitik geworden.
Der Krieg wird längst zurück in die USA getragen
Scahills Beschreibung der ungewöhnlichen Expansionsgeschichte Blackwaters dient ihm dazu, ganz allgemein auf die neue Militärdoktrin der USA einzugehen, für deren Umsetzung der 11. September ein "Glücksfall" darstellte, beschleunigte er das Ganze doch ungemein. Im Zentrum der Doktrin steht die Entfesselung der Marktkräfte bei der US-Armee, den Polizei- und Sicherheitskräften, ja selbst beim Katastrophen"schutz". Das ist der Kern des Rumsfeldschen Feldzugs gegen die "Bürokratie des Pentagons", für ihn der mächtigste Feind der USA überhaupt. Ein Feldzug, der durch die unter George W. Bush an die Macht gekommene Gruppe der Neo-Cons eingeläutet wurde. Er führt laut Scahill zur bisher beispiellosesten Privatisierung und Restrukturierung des militärisch-industriellen Komplex der USA: "Derzeit fließen 40 Cent eines jeden US-Dollars, der für den Irakkrieg ausgegeben wird, in die Tasche von privaten US-Militärfirmen. Man modelt den ganzen Militärapparat um. Der ist jetzt vollständig vom Privatsektor abhängig. Das ist wie ein Krebs, der Metastasen gebildet hat", so der Autor bei seiner Buchpräsentation in Berlin. Zahlen aus dem Irak verdeutlichen das anschaulich: Dort operierten im Dezember 2006 fast ebenso viele Mitarbeiter privater Militärfirmen wie reguläre US-Streitkräfte - rund 100.000 Mann. Noch zu Zeiten des ersten Golfkriegs bestand erst ein Zehntel der in das Kriegsgebiet entsandten Streitkräfte aus Mitarbeitern von Privatfirmen.
Doch auch die militärstrategischen Aspekte des zunehmenden Einsatzes von Söldnern kommen in Scahills Buch nicht zu kurz. So ermöglicht es die Strategie der "kleinen Fussabdrücke" (Rumsfeld), Söldner fast unsichtbar und damit auch in besonders heiklen Kriegs- und Krisengebieten einsetzen zu können: ihre Toten tauchen in keiner offiziellen Statistik auf, man umgeht auch weitgehend mögliche Widerstände, die die eigene Bevölkerung gegen einen "offiziellen" Krieg formulieren könnte.
Dieser Krieg, so Scahill, werde längst in die USA zurück getragen. Dort war Blackwater nur wenige Stunden nach Hurrikan Katrina in New Orleans vor Ort, kassierte pro Mann und Tag 950 US-Dollar, und ließ - zur Verhinderung von Plünderungen - seine schwerbewaffneten Männer durch die Straße patrouillieren. Dabei unterlagen die schwerbewaffneten Privatsoldaten keinerlei verfassungsmäßigen Beschränkungen, z.B. dem Schutz vor willkürlichen Durchsuchungen und Verhaftungen. Damit nicht genug, genießen Blackwater und andere Söldnerfirmen bis heute Immunität. Während das im Irak durch die von den USA erlassene Order Nr. 17 abgesichert wird, die bestimmt, dass Privatunternehmen vor jeglicher Strafverfolgung durch irakische Behörden geschützt sind, geht es in den USA auf Rechtslücken bzw. auf den Unwillen zurück, eine Söldnerarmee haftbar zu machen, die zum unverzichtbaren Teil der "Gesamtstreitkräfte" geworden ist.
Scahills Buch vermittelt einen spannend geschriebenen, beängstigenden Einblick in die Privatisierung des Krieges. Man darf sich allerdings keine theoretische Diskussion um dieses Phänomen erhoffen oder gar mögliche Gegenstrategien. Das will das in bester journalistischer Tradition geschriebene Buch aber auch nicht leisten.
Eva Völpel
Scahill, Jeremy: Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt. Verlag Antje Kunstmann, München 2008, 320 Seiten, ca. 22 EUR
Quelle: analyse & kritik, 18.4.2008