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Dabei sein beim Krieg um Rohstoffe

Gerald Oberansmayr (Werkstatt Frieden & Solidarität)

Die anvisierte EU-Verfassung sieht eine Aufrüstungsverpflichtung, die Einführung eines Rüstungsamtes, die Selbstermächtigung des EU-Ministerrates für weltweite Militärmissionen und verschärfte militärische Beistandspflichten vor (u.a. eine sog. „Solidaritätsklausel“ beim „Antiterrorkampf“) vor. Trotz der erfreulichen Abstimmungen in Frankreich und den Niederlande, kann leider keine Entwarnung gegeben werden. Denn die Militarisierung ist kein Nebeneffekt der EU, sie ist DER Konsens der Machteliten der großen EU-Staaten.

24.04.2007

Um daher Aufrüstung und Kriegsfähigkeit nicht durch negative Volksabstimmungen zu gefährden, haben die EU-Eliten die wichtigsten Teile der EU-Militärverfassung vorgezogen (Rüstungsagentur, Schlachtgruppenprinzip, militärische „Solidaritäts“klausel). Auch Aufrüstungspflicht und weltweite Interventionsermächtigung sind bereits ohne öffentliche Information und Abstimmungen in konkrete Projekte gegossen worden: European Capability Action Plan, Headlinegoal 2010. Hier ein kurzer Überblick.

Als die EU-Staats- und Regierungschefs im Sommer 2004 die Rüstungsagentur (in der Folge etwas verschämt als „Verteidigungsagentur“ bezeichnet) aus der Taufe hoben, war die Freude der Rüstungsindustrie groß. In ganzseitingen Inseraten würdigten die Chefs der drei größten EU-Rüstungsschmieden Bae-Systems, EADS und Thales diesen Schritt als „historisches Ereignis“, das „für die Verteidigungsindustrie von allergrößter Bedeutung Ist“. Schon vorher klingelten die Kassen beim Kriegsgütergeschäft. EADS etwa konnte den militärischen Auftragsbestand von 2002 auf 2004 um satte 130% von 22 auf 50 Mrd. Euro steigern. Die Rüstungsagentur soll dafür sorgen, dass noch ein Zahn zugelegt wird. Aufgaben dieses Impulszentrums der Militärisch-industriellen-Komplexes ist es „den operativen Bedarf“ an Kriegsgerät zu ermitteln, „Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern“, „Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Grundlagen des Verteidigungssektors“ zu ermitteln, und „diese gegebenenfalls selbst durchzuführen.“ Um Widerstände kleinerer Nationen auszuhebeln, gilt in der Rüstungsagentur – anders als sonst zumeist im Bereich der Militärpolitik – bereits das Mehrheitsprinzip. Das heißt im entscheidenden Gremium, dem Lenkungsausschuss, stimmen die „Verteidigungs“minister gewichtet mit den nationalen Stimmrechten ab. Erste Mittel und Rechte hat die Rüstungsagentur bereits in der Tasche: ab 2007 sollen zusätzliche jedes Jahr eine Milliarde für Rüstungsforschung von der EU-Kommission bereitgestellt werden. Beim jüngsten Verteidigungsministerrat im Mai 2005 ist schon ein nächster Rüstungscoup auf die Schienen gebracht worden. Die EU-Staaten werden gemeinsam eine neue Generation „gepanzerter Fahrzeuge“ entwickeln und produzieren. Das werden 10.000 Stück in den nächsten 10 jahren sein, schwärmt Nick Witney, Hauptgeschäftsführer der „Verteidigungs“agentur. Auch die Befugnisse der Agentur wurden bei diesem Ministerrat ausgeweitet. Ab nun sollen die EU-Staaaten halbjährlich einem „Rüstungsevalutaion“ unterworfen werden, ob sie auch die vereinbarten Rüstungsziele umsetzen. Damit wird auch die „Aufrüstungsverpflichtung“, wie sie die EU-Verfassung im Artikel I-41 vorgesehen hat, bereits vorgezogen. In Zukunft könnten also EU-Staaten zwei Arten von „blauen“ Briefen ins Haus stehen: für „übermäßiges Defizit“, weil etwa im Sozialbereich nicht ausreichend gekürzt wurde, und für „unzureichende Rüstungsbemühungen“.

EU-Schlachtgruppen

Die EU-Schlachtgruppen sind so etwas wie die schnelle Kavallerie der High-tech-Kriege. Oder wie es der „Hohe Beauftragte ...“ Javier Solana euphemistisch formuliert: „Die Battle-groups sollen auf dem Boden ein Klima für zusätzliche Truppen schaffen.“ Auch den bevorzugten Einsatzradius hat Solana klargelegt: „Afrika, Naher und mittlerer Osten, Kaukasus.“ Was verbindet diese Regionen miteinander? Rohstoffe, vor allem Erdöl und Erdgas. In einem vom EU-Rat in Auftrag gegebenen „European Defence Paper“ wird das auch gar nicht mehr in Abrede gestellt: Missionsziel der EU-Streitkräfte seien „Expeditionskriegszüge“ zur „Stabilitätsexport zum Schutz der Handelswege und des freien Flusses von Rohstoffen.“ Die EU-Schlachtgruppen, die bis 2007 einsatzbereit sein sollen, werden daher zum Kampf für alle klimatischen und geografischen Bedingungen (Hochgebirge, Dschungel, Wüste, etc.) ausgebildet; in deutschen Militärkreisen wird auch der „Häuserkampf“ ganz oben auf die Prioritätsliste der EU-Schlachtgruppen gesetzt, da „die Stadt das wahrscheinlichste Einsatzfeld der Steitkräfte der Zukunft“ sei. 13 EU-Schlachtgruppen zu je 1.500 Mann/Frau werden derzeit aufgestellt. Die Großen blasen den Marsch. Alleine Deutschland ist mittlerweile an 6 Schlachtgruppen beteiligt (sh. Tabelle). Die Entscheidung über den Einsatz der Schlachtgruppen soll innerhalb von fünf Tagen erfolgen. Damit werden sowohl die nationalen Parlamente als auch der UNO-Sicherheitsrat ausgebremst, deren Entscheidungsabläufe erheblich länger dauern. Innerhalb von 10 Tagen sollen die EU-Kriegen dann weltweit zum Schuss kommen können. Nach zwei Monaten soll dann die etwas behäbigere „EU-Interventionstruppe“ folgen, für die bereits 100.000 Mann, 400 Militärflugzeuge und 100 Kriegsschiffe zur Verfügung stehen.

Bisher gemeldete EU-Schlachtgruppen

• Frankreich
• Italien
• Großbritannien
• Spanien, Deutschland, Frankreich
• Frankreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg, Spanien
• Frankreich, Deutschland
• Deutschland, Niederlande, Finnland
• Deutschland, Tschechien, Österreich
• Italien, Ungarn, Slowenien
• Polen, Deutschland, Slowakei, Lettland, Litauen
• Italien, Spanien, Griechenland, Portugal
• Schweden, Finnland and Norwegen
• Großbritannien, Niederlande


European Cabability Action Plan – „Eskalationsdominanz“

Dieser Hochrüstungsplan (zu deutsch etwas holprig „Europäischer Fähigkeiten-Aktionsplan“) wurde bereits im jahr 2001 – ohne jede öffentliche Debatte und Information – aus der Taufe gehoben. Er soll die „Fähigkeitslücken“ schließen, um der EU die militärische „Eskalationsdominanz“ zu geben, um auch „Kriege in einem anspruchsvollen Szenarion wagen und gewinnen zu können“, wie es im „European Defence Paper“ heißt. Deshalb wird im Rahmen des ECAP derzeit intensiv in 15 Projektgruppen gearbeitet, die der EU militärische Hardware in folgenden Bereichen bereitstellen sollen: Angriffs und Unterstützungshubschrauber, Luft-Luft-Betankung, ABC-Abwehr, strategischer Luft- und Wseetransport, Raketenabwehrsysteme, Hauptquartiere, Spezielle Operationsstreitkräfte, unbemannte Luftfahrzeuge, medizinische Versorgung, ISTAR und Bodenüberwachung und Militarisierung des Weltraums.
Parallel zu diesen konventionellen Rüstungsprojekten läuft v. a. in Frankreich ein ambitioniertes Atomwaffenprogramm: neue nukleare Lang- und Mittelstreckenraketen, neue Abschussbasen und neue Sprengköpfe („Mini-Nukes“) für den – wie es eine regierungsnahe deutsche Stiftung nennt – „nuklearen Ersteinsatz“. Alleine die 20 größten Rüstungsprojekte, die derzeit in den EU-Staaten laufen, summieren sich inkl. Betriebskosten auf rd. 550 Milliarden Euro, das entspricht dem BIP von Dänemark, Finnland und Schweden zusammengenommen.

Derzeit in EU-Staaten laufende Aufrüstungsprogramme
(Auswahl)

Eurofighter-Programm 77 Mrd. Euro
Bau neuer Schlachtschiffe 16 bis 20 Mrd. Euro
Neue Flugzeugträger 13,5 Mrd. Euro
Modernisierung der Atomwaffen 17 Mrd. Euro
Neue Militärhubschrauber 18 Mrd. Euro
Neue Militärtransporter (A400M) 20 Mrd. Euro
Neue Raketen/Marschflugkörper 10 bis 15 Mrd. Euro
Raketenabwehrsysteme 10 bis 15 Mrd. Euro
Neue U-Boote 10,5 Mrd. Euro
Neue Panzer 10 Mrd. Euro
Militärsatelliten/-navigationssysteme 12 Mrd. Euro
Neue Luftbetankungsflugzeuge 19 Mrd. Euro


Headlinegoal 2010 – „Dimension Golfkrieg“

Ebenfalls ohne jede öffentliche Information und Parlamentsbeteiligung beschlossen die EU-Staatschefs im Juni9 2004 das sog. HLG 2010. Ziel ist es, bis 2010 die globale Interventionsfähigkeit zu erlangen. Dafür sollen Jahr für Jahr bestimmte „Meilensteine“ erklommen werden:

• 2004: Einrichtung der Rüstungsagentur und einer militärisch-zivilen Zelle im EU-Militärstab
• 2005: EU-Lufttransportkommando
• 2007: Volle Einsetzbarkeit der EU-Schlachtgruppen
• 2008: EU-Seetransportkommando inkl. Flugzeugträger
• 2010: Erlangung der „Netzwerkzentrierten Kriegsführung“, d. h. des Zusammenspiels aller Waffengattungen unter Einbeziehung eines boden- und weltr5aumgestützten Kommunikations- und Informationsnetzwerkes, wie sie die USA im Krieg gegen den Irak vorexerziert hat.

Im EDP wird auch die Größenordnung angedeutet, um die es bei „Regionalkriegen zur Verteidigung europäischer Interessen“ ab 2010 gehen soll: „Militärische Herausforderungen im Mittleren Osten von der lgeichen oder sogar einer größeren Dimension als der Golfkrieg von 1990 – 1991“. Zum Vergleich: in diesem Krieg wurden 300.000 IrakerInnen getötet. In der Europäischen Sicherheitsstrategie vom Dezember 2003 und der sog. „Solidaritätsklausel“ (Beistandspflicht) bei „terroristischen Bedrohungen“ (Frühjahr 2004) haben sie die EU-Eliten auch bereits grünes Licht für sog. „Präventivkriege“, also Krieg auf Verdacht, gegeben.




04-02-2006, 18:16:00 |Gerald Oberansmayr (Werkstatt Frieden & Solidarität)