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Sicherheitspolitik: Solidarisch in der Aufstandsbekämpfung

Ein Argument der Linken gegen ein österreichisches Berufsheer war die Gefahr, dass dieses Heer dann leichter gegen ArbeiterInnen, demonstrantINnen und politische AktivistInnen einzusetzen wäre. Ein neues Papier in der EU lässt dieses Argument in einem anderen Licht erscheinen wirbelt die Sicherheitsarchitektur der EU durcheinander: Im vergangenen Dezember haben die EU-Kommission und die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik einen Vorschlag zur Ausgestaltung der sogenannten «Solidaritätsklausel» vorgelegt. Möglich wäre, dass eine Regierung militante Arbeitskämpfe zu "Terrorismus" umdeutet oder streikende Polizisten als "Fehlen wesentlicher gesellschaftlicher Funktionen" definiert - und schön müssten nach der "Solidaritäsklausel" Sicherheitskräfte anderer EU-Staaten eingreifen.

30.04.2013

Ein neues Papier wirbelt die Sicherheitsarchitektur der EU durcheinander: Im vergangenen Dezember haben die EU-Kommission und die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik einen Vorschlag zur Ausgestaltung der sogenannten «Solidaritätsklausel» vorgelegt. Die Ausformulierung dieser Klausel war im Vertrag von Lissabon bzw. im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gefordert worden.
Sie verpflichtet die EU und ihre Mitgliedstaaten, einen anderen Mitgliedstaat im Falle eines großen Schadensereignisses zu unterstützen. Genannt werden in Artikel 222 AEUV Terroranschläge, Naturkatastrophen oder vom Menschen verursachte Katastrophen. Explizit wird von «militärischer Unterstützung» gesprochen, deren konkrete Ausformung im Bedarfsfall von der Hohen Vertreterin vorgeschlagen werden soll.
Befürchtet wurde damals, dass die EU sich mit der «Solidaritätsklausel» ermächtigen könnte, einen abtrünnigen Mitgliedstaat am Verlassen der Union zu hindern. Das ist zumindest formal nicht möglich, da Artikel 222 vorsieht, dass etwaige Einsätze nur auf Ersuchen der politischen Organe einer Regierung zustandekommen können.
Trotzdem ist der jetzt vorliegende Vorschlag brisant. Die «Solidaritätsklausel» soll dem Vernehmen nach ebenso in internationalen Gewässern bzw. im internationalen Luftraum wie für Offshore-Öl- und Gas-Förderanlagen im EU-Ausland gelten. Auch politische Auseinandersetzungen können zu «Katastrophen» und «Krisen» und damit zu einer gemeinsamen Reaktion führen. Sie treten z.B. dann ein, wenn «wesentliche gesellschaftliche Funktionen» lahmgelegt und «Vermögenswerte» gefährdet sind. Botschaften und Konsulate werden zwar nicht genannt, ihre Einbeziehung liegt aber nahe.
Im November forderte das EU-Parlament in einer Entschließung, «keine bedeutenden Gefahren» zu vergessen, z.B. Cyberangriffe, Pandemien oder Energieengpässe. Die Rede war aber auch von «politisch motivierten Blockaden».
Es ist also nebulös, welche Ereignisse im Einzelnen erfasst werden. Dennoch schafft die EU-Kommission schon mal Fakten: Eine ebenfalls im Dezember veröffentlichte Mitteilung zur «Cyberstrategie» führt bereits auf, dass ein Cyberangriff eine Reaktion gemäß der «Solidaritätsklausel» auslösen könnte.
Die «Solidaritätsklausel» kann von der anfragenden Regierung, anderen Mitgliedstaaten und den Organen der EU missbraucht werden. Denn bislang ist nicht festgelegt, ab welchem Stadium einer vermeintlichen «Bedrohung» der Unterstützungsfall eintritt. Möglich wäre also, dass eine Regierung militante Arbeitskämpfe zu «Terrorismus» umdeutet oder streikende Polizisten als Fehlen «wesentlicher gesellschaftlicher Funktionen» definiert.

(Quelle: SoZ, März 2013)