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Zwischen den Zeiten

Kurt Hofmann

Zu El Awadallas „good luck - good bye“

22.04.2018

Ob es denn in Österreich verboten sei, zu helfen, wird El Awadalla von irakischen Flüchtlingen, die sie betreut und mit denen sie sich angefreundet hat, gefragt und hört zur Illustration dieser erstaunlichen Anfrage von diesen eine Geschichte über einen Diebstahl am Hauptbahnhof. Da wird einem chinesischen Buben das Handy gestohlen und alle schauen zu, bis auf einen Syrer, der dem Mann nachläuft und dem Kind das Handy wiederbringt:“ so eine geschichte wäre im irak unmöglich, sagen sie, da würden sich alle einmischen, bei uns schauen alle lieber weg, muß ich zugeben, ja, ich bin eine einmischerin, eine von den wenigen, die es gibt. Diese wegschauerei ist noch ein grund mehr, sich für österreich zu schämen!“ (awadalla/good luck - good bye, S.149)

Sich einmischen: Eben darum geht es in El Awadallas neuem Buch „good luck - good bye“ und auch die beiden Untertitel sind dabei nicht zu vernachlässigen;“vom kommen und überleben“ sowie; “ein tagebuch aus der willkommenskultur“. 

„Willkommenskultur“: Der denunziatorische Umgang mit diesem, ohnedies von „außen“, vom Boulevard geprägten Begriff für diejenigen, die sich eingemischt haben, macht die Kluft zwischen den Inhalten des Buches und der Realität dieser Tage deutlich, da bedarf es keines ergänzenden Vorwortes.

Situationsbezogene Elastik: Der (sozialdemokratische) Minister, welcher diese Formulierung prägte, ist längst vergessen, viele von denen, die sich nach der ersten „Flüchtlingswelle“ (Welle – Flut – Naturkatastrophe… ) zu einer humanitären Vorgangsweise bekannten, sind längst auf der Seite der Grenzzieher und Mauerbauer. 

Situationsbezogene Elastik: Abseits der opportunistischen Auslegung dieses Bildes gibt es noch eine andere, auf die Helfenden, die EinmischerInnen zutreffende. Was Awadalla und anderen an Improvisationskunst abverlangt wurde, wie diese, von der Organisierung eines Flüchtlingskonvois bis zu den „Mühen der Ebene“ – im Umgang mit Behörden, im interkulturellen Austausch etc. „ExpertInnen“ auf vielerlei Ebenen werden mussten, sich aneigneten, im Moment zu entscheiden, was zu tun und was zu lassen sei (Fehlerquote mitinbegriffen) und Situationen richtig einzuschätzen, das ist ein Teil dieses literarischen Tagebuchs, das im August 2015 beginnt und im April 2016 endet. Der andere ist der Umgang mit jenen, die es „von Anfang an wussten“ (und deshalb 2017 schwarz-blau gewählt haben), ferner mit jenen, die nur vorgeben, zu helfen. Wie etwa jene Frau, die eine Wohnung für Flüchtlinge im Internet anbietet und dann doch „gutes Geld“ für die gute Tat will, oder Ärzte, die Flüchtlingen Antibiotika verschreiben und es dann aus Ignoranz verabsäumen, deren Anwendung zu erklären…

Kommen und Überleben: Das eine ist so mühsam wie das andere schwer erschwingbar. Jene, die (noch) da sind, werden scheel betrachtet, man wisse ja, wie „die“ ticken:“das ewige gerede von `den muslimen´und dem `islam´ geht mir rasend auf die nerven! Weil nämlich `die muslime´ genauso unterschiedlich sind wie die mitglieder der westlichen gesellschaften, um das zu sehen, müsste man halt mit ihnen reden und sie nicht nur durch das teleskop der ignoranz betrachten…“ (Awadalla/good luck - good bye, S.155) Aber können sie sich denn überhaupt bei „uns“ zurechtfinden, die „DörflerInnen?“: „meine irakischen freunde kommen aus städten, die deutlich größer sind als wien, ihre ersten ziegen haben sie hier im streichelzoo gesehen, wie die meisten wienerInnen auch“… (Awadalla/good luck - good bye, S.155) 

„Allaweil i, warum net die Anderen?“: Mit diesen Worten betrat der Schwankexperte Paul Löwinger die Bühne und hatte damit einen sicheren Lacher. Dies ist aber nicht nur der Sager eines längst verstorbenen Komikers, es ist vielmehr das Credo derer, die wegschauen und jene, die sich einmischen, als QuertreiberInnen betrachten, die Unruhe in die nationale Einfalt bringen - und sich nicht abhalten lassen, es weiterhin zu tun...

Was 2015 begann, scheint vielen 2018 suspekt, in Zeiten, da es nach regierungsoffizieller Betrachtung ohne Flüchtlinge auch kein Budgetdefizit geben würde: vielen, keineswegs allen.

Gerade jetzt, 2018, sollte dieses Tagebuch aus 2015 und 2016 gelesen werden, die Chronologie einer Einmischung. Abseits des Defätismus angesichts „dieser Lage“ gibt es auch Möglichkeiten, etwas (dagegen) zu tun: "good luck - good bye" ermuntert seine LeserInnen dazu…

 

El awadalla
unter mitarbeit von dhia ali
good luck - good bye
vom kommen und überleben
ein tagebuch aus der willkommenskultur
sisyphus
Preis: Euro 14,80