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"Kill one, threaten 300". Ein kambodschanischer Gewerkschafter über die Lage der Arbeitenden in Kambodschas Textilfabriken.

Andreas Kranebitter

Athit Kong ist der 26-jährige Vizepräsident der CCAWDU (Coalition of Cambodian Apparel Workers’ Democratic Union, zu deutsch Koalition demokratischer Gewerkschaften kambodschanischer Textilarbeiter), eines Gewerkschaftsverbandes, der 38.000 ArbeiterInnen in der kambodschanischen Textilindustrie organisiert. In der kambodschanischen Textilindustrie arbeiteten 2006 320.000 ArbeiterInnen in mehr als 300 Fabriken. Athit arbeitete in der Wäschereiabteilung einer Textilfabrik von 1999 bis 2001, bis er wegen seiner Aktivitäten in der CCAWDU entlassen wurde. 2002 wurde er zum Sekretär der CCWADU gewählt, 2006 schließlich zum Vizepräsidenten. Im Mai 2007 besuchte Athit Kong auf Einladung der Clean Clothes Campaign Wien; das folgende Interview mit ihm führte Andreas Kranebitter[1].

19.09.2007

Wie sehen Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen in einer kambodschanischen Textilfabrik aus – was können wir uns darunter vorstellen?

Nun: die normalen Arbeitszeiten sind 26 Tage pro Monat, 6 Tage pro Woche und 8 Stunden pro Tag – wobei es keine bezahlte Mittagspause gibt, und ohne Überstunden gerechnet. Das summiert sich also auf 200 Stunden pro Monat. Die Minimalllöhne liegen ungefähr bei 45 bis 50 US-Dollar pro Monat – noch vor 5 Jahren lag er bei 35 US-Dollar pro Monat. Wenn du krank bist, bekommst du kein Geld. Die Gewerkschaften verlangen 83 US-Dollar, denn ein Lohn muss schließlich durchschnittlich 4 Leute ernähren; in Phnom Penh ist es unmöglich, mit diesem Lohn zu überleben. 2004 gab es eine Studie, die sagte, dass du zumindest 70 US-Dollar pro Person und pro Monat brauchst, um in den Städten über die Runden zu kommen (die Kosten für Miete, Essen, Medizin, etc. abdeckend).

In den letzten drei Jahren wurden drei Gewerkschafter offenbar für diese Forderung ermordet – wie Hy Vuthy, im Frühjahr dieses Jahres, auf offener Straße am Weg von der Arbeit. Mit all dieser Unterdrückung von Gewerkschaften bis hin zur Ermordung von GewerkschafterInnen: Haben die Leute Angst, sich zu organisieren? Ist es ein Problem für Gewerkschaften, Leute anzusprechen, und sie zu überzeugen, Gewerkschaftsmitglieder zu werden? Was denken die Leute über die Gewerkschaften – vertrauen sie ihnen, haben sie Angst, in die Sache verwickelt zu werden?


Ja, jeder hat Angst, inklusive mir – auch ich habe Angst. Leute haben Angst davor, involviert zu werden. Das ist „Töte einen, drohe 300“. Natürlich sind auch die Familien verängstigt. Meine Familie auch – aber es ist meine Entscheidung. Sie hören etwas in den Medien über Gewerkschafter, die ermordet wurden, und sie sind geschockt und wissen nicht, ob es ihr Sohn, Bruder oder Mann war. Ich bin Single, aber viele GewerkschafterInnen haben Familie – ihre Frauen, wie die Frau meines Präsidenten, wollen nicht, dass sie in derartigen Positionen sind. Sie wollen nicht in dieser angespannten Situation leben. Sie erlauben ihren Männern oft nicht, in die Gewerkschaften zu gehen – das ist der Grund, warum ich mich dazu entschieden habe, Single zu bleiben, mit der Gewerkschaft zu arbeiten.

Du hast mir einen Film gezeigt, der euren letzten Streik in der „Riverrich-Fabrik“[2] dokumentiert hat: Wie viele Streiks gab es in den letzten Jahren, und was waren die Resultate dieser Streiks?


In meinem eigenen Verband waren es 6 Streiks im Jahr 2006 – manchmal in Fabriken mit 2.000, manchmal in Fabriken mit 6.000 ArbeiterInnen. Letztendlich haben wir immer Kompromisse geschlossen, und wir konnten nicht alle Dinge erreichen, die wir wollten. Aber wir konnten ein gutes Resultat erreichen. Normalerweise fordern wir 3, 8 oder 10 verschiedene Punkte – aber wir kriegen nur 60% davon. Aber wir konnten gewinnen, und Leute gewinnen Vertrauen in die Gewerkschaften. Es gibt Streiks, und die Regierung und die ArbeitgeberInnen sind verängstigt, also lernen die Leute die CCAWDU kennen – und wir erreichen mehr und mehr Popularität.

Was sind die größten Probleme der Gewerkschaften und der GewerkschafterInnen in Kambodscha?


Ich denke, es ist – wie bereits erwähnt – die Sicherheitsfrage. Oft wird das Leben von GewerkschafterInnen bedroht; viele Leute bekommen ein SMS, in dem so etwas steht wie „Wir werden dich töten“. Der Präsident meiner Gewerkschaft hat gerade erst eine derartige Drohung erhalten, am 25. Mai. Das ist übrigens eine andere von diesen Sachen: wenn du als GewerkschafterIn einem Arbeitgeber ein SMS schickst, in dem steht: „Ich werde dich heute töten“, dann werden sie dich sofort verhaften, weil die Telekommunikationsfirmen ganz genau wissen, wer dieses SMS geschickt hat. Aber sie tun nichts, wenn einE GewerkschafterIn bedroht wird.

GewerkschafterInnen haben auch persönliche Probleme mit ihrer Familie. Wenn sie Familie haben, haben sie keine Zeit für Überstunden, vor allem für Überstunden in den Gewerkschaften. Sie haben mehr Stress und kriegen mehr Druck von den ArbeitgeberInnen, und ArbeitgeberInnen erhöhen nie ihren Lohn. Oft haben sie auch Stress mit den Bedürfnissen der ArbeiterInnen – sie rufen uns sehr oft an, um irgendein Problem zu lösen, das sie haben, und das kostet viel Zeit. Und es ist hart, einen Job zu finden, wenn du einmal für eine Gewerkschaft gearbeitet hast; die Regierung kann dich danach identifizieren.

Im Allgemeinen ist es so, denke ich. Meistens ist es hart für Frauen, in dieser Situation an der Gewerkschaftsarbeit teilzunehmen. Sie müssen auf ihre Kinder aufpassen, und wenn sie schwanger sind, haben sie große Probleme mit ihrer Familie, wenn sie für die Gewerkschaft arbeiten. Frauen können leichter unterdrückt werden, zum Beispiel wenn sie alleine nach Hause gehen nach der Arbeit, etc. Sie können das nicht tun. Frauen haben mehr Probleme.

Ich habe gelesen, dass 85% der TextilarbeiterInnen Frauen sind. Wie steht’s also mit dem Geschlechterverhältnis in der Gewerkschaft?


Nun, Kambodschaner sind mental sehr traditionell. Wenn ein Mann und eine Frau in der Gewerkschaft für die selbe Position antreten, dann ist es meistens der Mann, der von den ArbeiterInnen gewählt wird. Deshalb sind Präsident und Vizepräsident in unserer Gewerkschaft keine Frauen. Aber wir haben Frauen in der Gewerkschaft, nicht nur als Mitglieder; und es wird immer besser seit den letzten paar Jahren. Wenn der Mann, der für eine bestimmte Position in den Gewerkschaften antritt, dafür nicht sehr qualifiziert ist, schüchtern ist und nicht oft auftaucht, um mit den ArbeiterInnen zu reden, und die Frau ist stark, zäh und mutig, dann wird die Frau gewählt. Die eine Frau, die du am Bild gesehen hast [zeigt auf ein vor ihm liegendes Bild – AK] ist sehr mutig. Wenn die ArbeitgeberInnen versuchen, ArbeiterInnen zu bestrafen, lassen sie meist den Kopf hängen; aber wenn ein Arbeitgeber versucht, sie zu bestrafen, … whew, er kann das nicht tun. Sie ist mutig. Aber sie hat Probleme mit ihrem Mann. Wie ich zuvor sagte, Frauen haben allgemein mehr Probleme mit ihren Familien, wenn sie für die Gewerkschaft arbeiten, als Männer.

Wie sieht eine unabhängige Gewerkschaftspolitik in einem postsozialistischen Land wie Kambodscha eigentlich aus – in einem Land, das, sagen wir, „zweifach“ postsozialistisch ist? In anderen Worten: Wie beeinflusst das Erbe der Khmer-Rouge-Periode
und der darauffolgenden Periode der Volksrepublik Kampuchea – beide bezogen sich als kommunistische Parteien bzw. Staaten ja auf die ArbeiterInnen- und Gewerkschafts­bewegung – die Gewerkschaftspolitik heute?

Ich denke, es ist sehr schwer für Gewerkschaften in dieser Periode. Ein Blick auf die Geschichte Kambodschas zeigt, dass das Khmer-Rouge-Regime der schlimmste kommunistische Staat war, und auch die Volksrepublik Kampuchea war ein sozialistisches Regime. Die heute herrschende Partei entstand aus dieser ehemaligen Kommunistischen Partei, die von der vietnamesischen Armee unterstützt wurde. Obwohl wir nun in einer Marktgesellschaft leben, umgibt die herrschende Partei also immer noch so etwas wie eine kommunistische Ideologie. Die Regierung und die Gewerkschaften arbeiten also auf zwei verschiedene Arten – sie arbeiten nicht zusammen. Die herrschende Partei wurde von der vietnamesischen Armee oder Politik unterstützt, und sie schenkte dem keine Beachtung, was die Gewerkschaften beitrugen. Die Gewerkschaften versuchten, die Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen zu verbessern, die herrschende Partei versuchte, die Leute ruhig zu halten. In Kambodscha war es nicht wie in Europa, wo die vom kommunistischen Regime unterstützen Gewerkschaften vielleicht von den Leuten selbst geschaffen wurden, von der Basis aus, und die Interessen der Menschen vertraten.

Wie sieht die Gewerkschaftsbewegung in Kambodscha dann heute aus? Was sind die Überbleibsel der Gewerkschaften aus diesen früheren Zeiten?

Um die Gewerkschaftspolitik zu verstehen, müssen wir zuallererst feststellen, dass es drei Arten von Gewerkschaften in Kambodscha gibt[3].

Die ersten sind die regierungsfreundlichen Gewerkschaften: Sie versuchten immer schon, ArbeiterInnen ruhig zu stellen, aber auch, das große Geld zu machen, indem sie versuchen, die Unterstützung des Regimes und Geld von den ArbeitgeberInnen zu bekommen. Und es gab beides: solche Gewerkschaften, die aus der Transformation der alten Staatsgewerkschaften entstanden, als auch solche, die von der Basis aufwärts gebildet wurden. Wir nennen sie Gelbe Gewerkschaften, weil sie nur versuchen, die Ausgaben der ArbeitgeberInnen gering zu halten.

Die zweiten sind die Unabhängigen Gewerkschaften, wie die CCAWDU, die versuchen, ArbeiterInnen dazu zu mobilisieren, sich zu organisieren. Sie werden oft von internationalen Organisationen wie der WCL [World Confederation of Labor], der CCC [Clean Clothes Campaign], der ILO [International Labor Organization] und verschiedenen Konsumverbänden unterstützt; sie alle unterstützen Gewerkschaften bei Finanzierungs­fragen, durch technische Hilfe, Wissen, etc.

Die dritte ist die FTU [Free Trade Union], gegründet 1995[4]. Sie ist nach Mitgliederzahlen die größte Gewerkschaft. Auch sie repräsentiert die Interessen der ArbeitnehmerInnen, ist aber stark in die Politik involviert; und sie ist daher viel gefährlicher für die Regierung. Die Ermordung von drei Gewerkschaftern dieser Gewerkschaft zeigt das. Die Regierung und die ArbeitgeberInnen scheinen im Übrigen die Untersuchungen in diesen Fällen zu verschleppen; NGOs und Gewerkschaften machen nun einen gemeinsamen Aufruf, Druck auf die Regierung auszuüben, eine wirkliche Untersuchung dieser Fälle zu veranlassen.

Wie ist das Verhältnis dieser drei Gewerkschaften zueinander? Arbeiten sie manchmal zusammen; gibt es Druck von seiten jener Gewerkschaften, die mit der Regierung verbunden sind?


Die unabhängigen Gewerkschaften und die regierungsfreundlichen Gewerkschaften haben kein gutes Verhältnis; wir arbeiten allerdings in gemeinsamen Angelegenheiten zusammen. Das Problem ist, dass sie stets mitten am Weg aufgeben – wir sind deshalb nun ziemlich ermüdet. Wir haben versucht, unsere Tür zu öffnen – aber wir wollen nicht selbst gespalten werden. Sie können sich einfach nicht vom Staat abtrennen, selbst wenn sie das wollten. Was das Verhältnis von CCAWDU und FTU betrifft, so arbeiten wir durchaus zusammen. Es ist nur so, dass wir uns von der Oppositionspartei trennen wollten.

Wie werden Gewerkschaften in der kambodschanischen Gesellschaft wahrgenommen, ich meine von anderen sozialen Gruppen? Stehen Gewerkschaften zum Beispiel in Kontakt mit der StudentInnenbewegung? Gibt es so etwas wie eine StudentInnenbewegung in Kambodscha überhaupt?


Es gibt bei unseren Streiks Unterstützung durch StudentInnen, aber die StudentInnen­organisationen wurden alle zerschlagen. In den 1990er-Jahren gab es ein paar, aber jetzt sind keine mehr übrig. Der Grund dafür ist politisch: es ist die Angst der Regierung vor jeder politischen Opposition. Was die Gesellschaft insgesamt betrifft: Es gibt viele Leute, nicht nur ArbeiterInnen aus den Textilfabriken, die die Gewerkschaften und im Speziellen die CCAWDU ansprechen und um Hilfe ansuchen. Für uns ist das eine Art positive Antwort, ein positives Feedback für unsere Arbeit.

Was denken Leute über ausländische Unternehmen und ArbeitgeberInnen? Sind sie schlimmer als kambodschanische ArbeitgeberInnen? Gibt es überhaupt kambodschanische Unternehmen in der Textilindustrie?


Das ist eine schwierige Frage. Wir haben nicht viele kambodschanische ArbeitgeberInnen in der Textilindustrie. Die meisten Fabrikeigentümer sind ChinesInnen aus Hong Kong[5] oder KoreanerInnen. In Kambodscha sind es nur die kleinen Unternehmen, die Kambo­dschanerInnen gehören, nicht die großen Fabriken. Aber mit diesen KambodschanerInnen zu verhandeln ist sogar schwieriger, als mit Ausländern zu verhandeln. Es gibt kein Korruptionsgesetz; sie wollen nur Geld machen und halten ArbeiterInnen für ihr Werkzeug. Es ist schlimmer als mit den ausländischen Investoren; die verstehen ein bisschen. Zumindest haben sie den Druck von internationalen Körperschaften; KambodschanerInnen haben diesen Druck nicht. Sie unterstützen ArbeiterInnen niemals, wie in der Mineralwasserindustrie, sie kümmern sich nie um Arbeitsbedingungen. Das ist ein Teil der kambodschanischen Kultur: sie sind arm und egoistisch, und sie wollen ihren Magen füllen. Das ist der Grund, warum Gewerkschaftspolitik ziemlich schwierig ist; denn da geht es um Solidarität und darum, für viele Leute zu arbeiten, nicht nur für dich selbst.

Du hast die Mineralwasserindustrie erwähnt – gibt es noch andere Branchen, die nicht von Ausländern besessen werden? (Ich habe etwas darüber gelesen, dass die CPP [Cambodian People’s Party[6]] die Mehrzahl der Elektrizitätswerke besitzt.)


Ja, die Elektrizitätswerke sind auch oft kambodschanisch, aber die großen sind Joint Ventures. Es sind mehrheitlich kleine Unternehmen, die in kambodschanischer Hand sind.

Darf ich noch ein paar Fragen in Bezug auf die Khmer-Rouge-Periode in Kambodscha stellen, und in Bezug auf deren Hinterlassenschaften? Was denken TextilarbeiterInnen heute über die Khmer-Rouge-Zeit? Anders gefragt: Gibt es da einen Unterschied zwischen ArbeiterInnen und anderen sozialen Gruppen, wie beispielsweise BäuerInnen, in der Art und Weise, wie diese Tage erinnert werden? Was ist deine Meinung dazu?

Ich denke nicht, dass es diesbezüglich einen Unterschied gibt. Die meisten ArbeiterInnen sind zwischen 16 und 25 Jahre alt; sie bekommen ihre Informationen über diese Zeit also nur von ihren Eltern. Die Regierung hingegen versucht, die Khmer-Rouge-Periode für ihre Zwecke zu benutzen, um ArbeiterInnen auszubeuten. Sie sagen so etwas wie: „Ihr verlangt mehr Geld für eure ArbeiterInnen, aber ihr wisst nicht, was es heißt, Entbehrungen zu erdulden, wie es Leute unter den Khmer Rouge tun mussten; wie könnt ihr nur mehr Geld verlangen?“. Und Leute haben Angst vor den Khmer Rouge, also gehorchen sie der Regierung.

Meine letzte Frage wäre folgende – wie du mir vorher gesagt hast, warst du selbst beim Weltsozialforum in Nairobi. Nachdem in Europa Teile der Gewerkschaftsbewegung oder der AktivistInnen mit sozialistischen oder linken Parteien verbunden sind, oder zumindest sozialistische/marxistische Ideen und Meinungen haben – gibt es so etwas wie sozialistische oder marxistische Sympathien oder Ideen unter kambodschanischen ArbeiterInnen, trotz der Zerstörung derartiger Ideen durch die Khmer Rouge und die Volksrepublik Kampuchea[7]?

Nein, da gibt es keine sozialistischen Ideen in den Gewerkschaften, keine sozialistischen Gewerkschaften. Leute haben wirklich Angst, wenn du „Sozialismus“ erwähnst. Sie werden sofort an die Khmer Rouge denken. Wenn du das tust, wenn du von Sozialismus redest, werden die Leute sogar vor dir Angst haben. KambodschanerInnen sollten vom Krieg loskommen.

 


[1] Anmerkung: Die Anmerkungen in Fußnoten geben meine eigenen Meinungen wider, nicht die Athit Kongs. Die folgenden Fragen sind ein Ausschnitt aus mehreren Gesprächen; im Folgenden wurde das in Englisch gehaltene Interview auf deutsch nicht in der „Sie“-, sondern in der „du“-Form übersetzt, was keinen Mangel an Respekt ausdrücken soll, sondern dem Klima der Gespräche eher entspricht.

[2] Der „Riverrich-Fall“ (ein Fall, der derzeit läuft und ungelöst ist) ist folgender: 30 ArbeiterInnen der Fabrik versuchen, einen Betriebsrat zu gründen, und werden unverzüglich von ihren ArbeitgeberInnen entlassen. Die Fabrik ist bekannt dafür, Sachen wie diese immer wieder zu tun: schwangere Frauen werden regelmäßig gefeuert, es gibt keine Vereinbarungen über Arbeitsfragen wie Krankenstand, es gibt oft erzwungene Überstunden bis zu 4 Stunden pro Tag. Fabrikeigentümer tendieren immer häufiger dazu, auf neue Formen von Arbeitsverträgen zurückzugreifen, nach denen ArbeiterInnen nur für 2 bis 3 Monate am Stück angestellt werden, um die Zahlung von Sozialleistungen zu vermeiden.

[3] In der Textilindustrie zeichnet sich folgendes Bild ab: Es gibt mehr als 800 lokale Gewerkschaftsorganisationen und 18 Verbände. Nur 4 Verbände in Kambodscha sind wirklich aktiv –die CCAWDU (38.000 ArbeiterInnen), die FTU (50.000 ArbeiterInnen), DISUF [Democratic Independent Solidarity Union Federation] (2.000 ArbeiterInnen) und die CTFWS in der Hotelbranche (6.000 ArbeiterInnen) [Erklärung siehe Text].

[4] Die Free Trade Union steht in einem Naheverhältnis zur oppositionellen „Sam Rainsey-Partei“, die von dem ehemaligen royalistischen Finanzminister und späteren Gewerkschafter – das allein zeigt bereits die unglaubliche Verschmelzung der „öffentlichen“ Sphären in Ländern wie Kambodscha – Sam Rainsey gegründet wurde. Ihre Mitglieder verschwinden regelmäßig oder werden am helllichten Tag von unbekannten Personen, meist zwei behelmten Motorradfahrern, erschossen – an einer Beteiligung bei diesen Morden durch die Regierung zweifeln wenige BeobachterInnen. Politisch kann die Sam-Rainsey-Partei wohl kaum als „links“ bezeichnet werden, fällt sie unter anderem durch ihre Hetze gegen die vietnamesische Minderheit in Kambodscha auf – VertreterInnen dieser Partei bezeichneten die vietnamesische Militäraktion gegen die Khmer Rouge von 1979 im Khmer-Rouge-Jargon als „Invasion“, nicht als „Befreiung“; der seit Jahrzehnten politisch das Land dominierende Premierminister Hun Sen, selbst Ex-Khmer-Rouge und ab 1978 von Vietnam unterstützter „Kommunist“, wird meist mit dem Etikett „Marionette Vietnams“ versehen. Kurz: Probleme in Kambodscha scheinen für die Sam-Rainsey-Partei auf Vietnam zurückführbar zu sein.

[5] Aus dem Hintergrundgespräch mit Athit Kong: Die Fabriken sind meistens in chinesischer und koreanischer Hand, werden aber auch von Leuten aus Taiwan und Singapore besessen. Fabriken produzieren allerdings für verschiedene Unternehmen, oft bekommen sie Aufträge via Internet: für GAP (60% der Produktion), H&M, Zara, Walmart, Target Corp und Nike. Nur 2-3 der insgesamt über 300 Fabriken sind „nicht schlecht“, zahlen sogar „gut“ – wie in der Nike-Fabrik, in der es sogar einen Kollektivvertrag gibt.

[6] Die Cambodian People’s Party (CPP)war jene Partei, die sich in den frühen 1990er-Jahren aus der alten kommunistischen Partei formiert hat, die wiederum 1978/1979 von Vietnam unterstützt und maßgeblich aufgebaut wurde. [Diese rekrutierte sich wiederum vor allem aus ehemaligen und abtrünnigen Khmer-Rouge-Kadern, aus der Ostzone des Landes, die im Rahmen der innerparteilichen Säuberungen ab ca. 1976 und vor allem 1978 bald an die Reihe gekommen wären, in das berüchtigte Folterzentrum Tuol Sleng deportiert zu werden – da die innerparteilichen Kämpfe innerhalb der Khmer Rouge zu diesem Zeitpunkt bewaffnete Ausmaße erreichten, floh ein Teil dieser Ostzonen-Khmer-Rouge nach Vietnam, wo er sich bald zur neuen Kommunistischen Partei formierte.] Die CPP, die aus der dem „Kommunismus abschwörenden“ alten KP hervorging, regiert Kambodscha mit ihrem Premierminister Hun Sen das Land mit Unterbrechungen und royalistischen Ko-Regentschaften bis heute; ihre Senatoren sind zweifellos die neue herrschende Klasse – was nicht in den Händen ausländischer Unternehmen ist (Elektrizitätswerke, Wasserindustrie, sowie vor allem Bauland etc.), ist im Besitz dieser korrupten Senatoren.

[7] Die Volksrepublik Kampuchea [People’s Republic of Kampuchea, PRK] war die von Vietnam gestützte Regierung zwischen 1979 und 1991/1993, die sich ebenfalls kommunistische nannte.