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Israel/Palästina: Israelische Invasionstruppen im Gaza

Man muss es immer wieder betonen: Das, was sich im Gaza-Streifen abspielt, ist kein Krieg, sondern ein Massaker, begangen von der drittstärksten Luftwaffe der Welt gegen eine wehrlose Bevölkerung.

05.01.2009

Man muss es immer wieder betonen: das Abschlachten in Gaza ist kein "unverhältnismäßige" Reaktion auf den Raketenbeschuss durch Mitglieder des Islamischen Dschihad und andere palästinensische Splittergruppen auf israelische Ortschaften in der Nähe des Gaza-Streifens, sondern eine geplante und seit langem vorbereitete Aktion, wie im übrigen der Großteil der israelischen Kommentatoren zugibt.

Man muss es immer wieder betonen: Jene Raketen sind nicht, wie gewisse europäische Diplomaten glauben machen wollen, "nicht zu rechtfertigende Provokationen", sondern nebenbei bemerkt ziemlich unbedeutende Reaktionen auf ein von Israel seit eineinhalb Jahren verhängtes, wildes Embargo gegen 1,5 Millionen Einwohner des Gaza-Streifens (Frauen, Kinder und alte Leute inklusive). Das Ganze mit der kriminellen Komplizenschaft der Vereinigten Staaten, aber auch Europas.

Man muss es immer wieder betonen: Wir erleben hier nicht, wie man es immer wieder all jenen zu erklären versucht, die ein kurzes oder selektives Gedächtniis haben, einen lange hinausgezögerten Akt der Selbstverteidigung gegen eine absolut nicht zu rechtfertigende palästinensische Aggression. Ehud Barak räumt das in aller Ruhe ein. Seit Monaten bereitet die israelische Armee sich darauf vor das Gaza genannte "terroristische Gebilde" anzugreifen. Wie der UNO-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in den Besetzten Gebieten Richard Falk richtigerweise erklärte, begibt man sich dann, wenn man eine von 1,5 Millionen menschlichen Wesen bevölkerte Zone als "terroristisches Gebilde" bezeichnet, in eine Genozidlogik.

Die israelische Aggression in Gaza ist, genau wie der Angriff auf den Libanon im Jahr 2006 Teil des permanenten, präventiven und globalen Krieges der in Tel Aviv und noch für einen Monat im Weißen Haus amtierenden neokonservativen Strategen. Wie der Name schon sagt, ist diese Strategie präventiv. Sie braucht keine unmittelbaren und fassbaren Vorwände. Der demokratische Westen werde von einem globalen Feind bedroht, der zuerst "internationaler Terrorismus" und dann "islamischer Terrorismus" genannt wurde, um schließlich einfach zum Islam zu werden. Huntingtons "Clash der Kulturen" ist keine Beschreibung der außenpolitischen Realität, sondern der ideologische Rahmen der Offensivstrategie der amerikanischen und israelischen Neokonservativen, so wie er seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre im gemeinsamen Einverständnis ausgearbeitet wurde. In dieser Kriegsstrategie hat die islamische Bedrohung den Platz der kommunistischen Gefahr während des Kalten Krieges eingenommen. In beiden Fällen handelt es sich um einen globalen Feind, der einen globalen Krieg rechtfertigt.

Wenn die verbrecherische Bombardierung Gazas in Israel eine breite Unterstützung genießt, wenn die institutionelle Linke und insbesondere die Partei Meretz sich dem von Ehud Barak dirigierten Kriegschor angeschlossen hat, dann gerade weil sie diese Sicht der Welt teilt, die aus dem Islam eine existenzielle Bedrohung macht, die man pflichtgemäß neutralisieren muss, bevor es zu spät ist.

Zum Entsetzen über dieses Verbrechen gesellt sich das Entsetzen über die Niederträchtigkeit seiner situationsbedingten Begründungen. In weniger als zwei Monaten finden in Israel allgemeine Wahlen statt und die palästinensischen Opfer sind auch Wahlkampfargumente. Die Märtyrer des israelischen Angriffs auf Gaza sind Objekt eines Medienwettstreits zwischen Ehud Barak, Tzipi Livni und Ehud Olmert um die Frage, wer der Brutalste und Entschlossenste ist. Der Kriegsverbrecher, der die Arbeitspartei leitet oder besser gesagt das, was von ihr übrig ist, hat sich gestern Morgen gerühmt, dass er in den Umfragen vier Prozentpunkte zugelegt hat.

Über den grenzenlosen Zynismus hinaus 350 unschuldige palästinensische Opfer gegen einige zehntausend Wählerstimmen einzutauschen, zeigt Barak einmal mehr seine politische Kurzsichtigkeit. Im Crescendo der Bestialität und des Blödsinns wird es ihm – allen Anstrengungen zum Trotz – niemals gelingen, Benjamin Netanyahu zu übertreffen. Die Wähler ziehen immer das Original der Kopie vor. Umso mehr als der Kriegstreiber heute vor demselben Problem steht, das den Libanon-Krieg in ein israelisches Fiasko verwandelte. Ein Problem, das all jenen, die Kolonialkriege begonnen haben, bestens bekannt ist: Wie beendet man sie?

"Wir werden damit aufhören, wenn die Arbeit beendet ist", hat er mit der Arroganz der Gernegroße erklärt. Wann aber wird "die Arbeit" beendet sein? Wenn die Bevölkerung von Gaza und dem Westjordanland die Kapitulation vor den Kolonialträumen der führenden israelischen Politiker akzeptiert und ihre nationalen Bestrebungen auf einen "palästinensischen Staat" beschränkt, der nur noch aus einem Dutzend isolierter Reservate besteht, die jeweils von einer Mauer umgeben sind?

Wenn das die "Arbeit" ist, die Barak zu verwirklichen hofft, dann muss das israelische Volk zu einem Krieg bereit sein, der nicht nur extrem lange dauern, sondern auch nicht zu beenden sein wird. Und auch wenn der jüdische Staat für die Blitzkriege bestens gerüstet ist (vor allem, wenn diese von der Luftwaffe geführt werden), gerät er ganz schnell in die Krise, wenn es sich um eine Probe der Widerstandskraft handelt, in der die Palästinenser Meister sind – genau wie alle anderen Völker, die Opfer kolonialer Unterdrückung sind..

Dies erklärt, warum weniger als eine Woche nach dem Beginn und trotz der triumphalistischen Erklärungen von Politikern und Militärs die Stimmung in Israel umzuschlagen beginnt. Am vergangenen Samstag waren wir, einige Stunden nach dem Bombardement von Gaza wenig mehr als tausend Leute, die spontan unsere Wut und unsere Scham manifestierten. Am kommenden Samstagabend aber werden wir sehr viel mehr sein, um internationale Sanktionen gegen Israel zu verlangen und zu fordern, dass Ehud Barak & Co. vor einen internationalen Gerichtshof gestellt werden. Davon bin ich überzeugt.

* Michel Warschawski ist Sprecher des Alternative Information Center in Jerusalem und Autor des Buches "Israel–Palästina – eine binationale Herausforderung" (italienisch bei Edizioni Sapere, 2000)

Quelle: AIC - Alternative Information Center (Jerusalem), entnommen aus: Rosso in Labournetaustria

Derzeit ist die website des AIC nicht aufrufbar (5.1.2009), offenbar sollen kritische Stimmen gegen den Angriff auf Gaza in Israel mundtot gemacht werden.