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Aus dem Schatzkästchen der Weisheit - zu Gusenbauers Lösung der Studiengebühren-Frage

Kurt Hofmann

Die soziale Hängematte, ein Argument Schüssels, wird in das sozialdemokratische Vokabular übernommen.

24.04.2007

Spätestens, als das halbe Dutzend voll ist und der neue Kanzler abermals einen Satz mit "Ich bin der Meinung!" begonnen hat, fährt der schlanke Subtext aus dem Körper seines dicken Meisters, verbeugt sich und verkündet dessen versteckte Botschaft: "Ich bin es, der Reinkarnierte!" Und wahrlich, man vermeint, den Alten sprechen zu hören: "Also zum einen, wer hat uns verraten, die Sozialdemokraten, das ist der jahrzehntelange Slogan der Kommunisten in Österreich (...) das ist die klassische kommunistische Propaganda, die wir seit Jahrzehnten kennen und die zum Glück bei der österreichischen Bevölkerung nie auf frucht baren Boden gefallen ist..." (Alfred Gusenbauer im Gespräch mit Elmar Oberhauser, Report, 9.1.2007). Von allem, was Kreisky war, tatsächlich oder bloß der stets verklärenden Legende gemäß, scheint seinem selbsternannten Wiedergänger  Gusenbauer nur der Antikommunismus geblieben zu sein, wenn auch, im Zeichen des täglich grüßenden Murmeltiers, Jahre nach Ende des Kalten Krieges. Klingt retro, ist retro, spricht aber die Hauptgruppe der SPÖ-WählerInnen, die PensionistInnen an, die es ohnedies schwer genug mit den Studentinnen, aufmüpfig oder nicht, haben: "Ich werde mich vielleicht jetzt bei einigen Studenten unbeliebt machen, aber ich bin ganz klar für Studiengebühren. Es geht nicht, dass die Pensionisten mit ihren Steuern die Studenten finanzieren. Die Studenten müssen einsehen, dass nicht alles gratis sein kann", erklärt der einstige Lehrer und jetzige Oberlehrer der Nation, Helmut Zilk, einem Interviewer der Wiener Zeitung (Wiener Zeitung, 3.2.2007, S. 4) Es geht nicht an, dass die Alten  für das Studium der Jungen blechen und die Jungen für die Pension der langlebigen Alten, solidarisches Handeln ist angesagt, die Jungen könnten ihre Schuld an die Alten im Altenheim abarbeiten, die fitten Alten im Gegenzug auf teure und unnötige Operationen verzichten, das eine ist Gegenwartsprosa, das andere könnte bald Zukunftsmusik sein (die anderswo schon angestimmt wird..).

Gemeinnutz geht vor Eigennutz: "Wir kommen in Österreich dann weiter, wenn wir füreinander etwas tun, wir kommen in Österreich nicht weiter, wenn wir krawallmachende Egoisten sind." (Alfred Gusenbauer in "report", 9.1.2007) Für einen Bettel von sechs Euro gemeinnützige Arbeit verrichten, derlei nannte sich gestern, nach dem Marsch durch die Wüste Gobi, noch Bürgergesellschaft und heißt nun solidarisches Handeln im Dienste der Gerechtigkeit. Die Behauptung, man müsse der Gesellschaft etwas wiedergeben, impliziert, es sei ihr zuvor etwas genommen worden, das Abarbeiten einer Schuld ist aus dem Strafrecht als Diversion bekannt. Staatliche Leistungen sind aber weder ein Gnadenakt noch sind deren EmpfängerInnen SchuldnerInnen und wer von Rechten ist daher kein krawallmachender Egoist (wechselweise: gewaltbereiter Demonstrant), daran können alle neoliberalen Uminterpretationsversuche nichts ändern. Freilich: ".., man kann das nicht mit einer Lohnarbeit vergleichen, hier geht es um das freiwillige Engagement..." (Gusenbauer, ebdt.) Und bist du nicht willig... Freiwilligkeit setzt Entscheidungsfreiheit voraus. Bis hierher: "Und ich sage, niemand der Studiengebühren nicht bezahlen will, muss sie bezahlen..."(Gusenbauer, ebdt.) Und nicht weiter: "..Jeder kann studiengebührenfrei studieren, wenn er bereit ist, auch einen Beitrag für die Gesellschaft und die Benachteiligten zu leisten." (Gusenbauer, ebdt.)

Die Geister, die ich rief: Wenn also den zwangsverpflichteten Freiwilligen das Feuer der Begeisterung fehlt, so haben sich nun die Freiwilligen ohne Not zu Wort gemeldet und ihr Recht auf kostenloses Studium angemeldet, weil sie Helfer in der Not seien. Die Freiwillige Feuerwehr, die freiwilligen Rettungsdienste, die freiwilligen Kinderfreunde und die freiwilligen Pfadfinder, ergänzt durch die freiwilligen Jugendblasorchester und viele andere pochen da an die Tür. Auch der künftige Volkskanzler war als Gymnasiast ein Freiwilliger und ist ab der siebenten Klasse gemeinsam mit seinen freiwilligen FreundInnen supersolidarisch gewesen, denn sie sind"...völlig selbstverständlich einmal in der Woche ins Pfarrhaus gegangen und haben dort gratis Nachhilfe gegeben." (Gusenbauer, ebdt.) Das Pfarrhaus, die Kirche, eine Spur zum Ursprung der Studiengebühren-Regelung: der Ablasszahlung...

18 Semester soll der Student Gusenbauer studiert haben, eine Jugendsünde des Knaben Alfred. Nun aber möge flink, ohne Verschleppungen und Bummelantentum zu Werke gegangen werden. In einem ursprünglichen, nicht verwirklichten Vorschlag hat Gusenbauer jenen, die ihr Studium in der vorgeschriebenen Zeit absolvieren (und nur diesen!) ein gebührenfreies Studium versprochen, denn nur RegelstudentInnen sind gute StudentInnen. Hiezu ein Querverweis auf eine andere sozialdemokratische Wohltat der Regierung Gusenbauer: "Dazu führen wir jetzt das System der bedarfsorientierten Mindestsicherung ein. Aber nicht als Hängematte, jeder soll arbeiten..." (Alfred Gusenbauer im Gespräch mit Gerald John und Armin Thurnher, Falter 4/07, S. 9) Die Hängematte, ein Argument Schüssels, wird in das sozialdemokratische Vokabular übernommen. Traurig, wenn das Liegen in der Hängematte schon die höchste vorstellbare Stufe des Müßiggangs, ein frivoles Vergnügen, anzutreffen etwa in der den (sozialdemokratisch geprägten) Kleingartensiedlungen, ist...  Dabei ist Müßiggang eine Phase des Innehaltens, der Kreativität, ein notwendige Gegenpol zur reglementierten Arbeit. Und der "ewige Student“ könnte einer sein, der erfahren will, „was die Welt im Innersten zusammenhält“.

Gute Vorsätze: Keinem Anforderungsprofil genügen, die Orchideenstudien nicht vernachlässigen, den moralisch verbrämten Erpressungen nicht nachgeben!



11-02-2007, 15:24:00 |Kurt Hofmann