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Gerald Steinacher: Nazis auf der Flucht

Fritz Keller

Wie Nazi-Kriegsverbrecher über Italien nach Übersee entkamen.

08.10.2008

Der Name Adolf Eichmann steht für millionenfachen Mord und den personifizierten „Schreibtischtäter“ schlechthin. Eichmann wickelte die „technische“ Seite der geplanten „Vernichtung des europäischen Judentums“ ab. Bei Kriegsende ließ er seine Frau mit drei Kindern bei einem Bauern im österreichischen Aussee zurück und tauchte selbst unter.

Als ihm 1961 der Prozess gemacht wird, ist hinter den Kulissen Vorsorge getroffen, dass eine Reihe heikler Fragen im verfahren ausgespart bleibt: Wieso konnte der SS-Obersturmbahnführer einen am 2. Juni 1948 ausgestellten Personalausweis der Gemeinde Tramin bei Bozen erhalten? Wieso konnte er als Richard Klement noch bis Frühjahr 1950 unbehelligt in der BRD leben? Wie gelang es Eichmann, nach Argentinien zu entkommen?

Genau mit diesen Fragen befasst sich die gedruckte Habilitationsschrift eines Innsbrucker Zeithistorikers. Seine eingehenden Recherchen demontierten den Mythos von „ODESSA“ (Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen) und andere Verschwörertheorien über eine zentral gesteuerte, geheime und allmächtige NS-Fluchthilfeorganisation. An Hand einer Vielzahl von Einzelfälle rekonstruiert der Archivar am Landesarchiv in Bozen, wie sich aus improvisierten Anfängen heraus unter den Bedingungen des Kalten Krieges (d.h. unter Patronanz der CIA) allmählich ein funktionierendes Fluchthilfe-System etablierte: Die katholische Kirche gewährte Unterkunft und Schutz, das Rote Kreuz stellte die Dokumentation und der argentinische Generalkonsul in Genua erteilte in Abstimmung mit der Einwanderungsbehörde in Buenos Aires die Visa.

Wobei Steinacher bei seinen akribischen Nachforschungen auf für den (die) mit der Materie vertraute(n) Leser(in) immer wieder mit Überraschungen aufwartet: Wer wusste schon, dass der GESTAPO-Chef von Lyon, Klaus Barbie 1979-80 den Verkauf österreichischer Panzer und Militärlastwagen nach Bolivien vermittelt haben soll?

Wie Kriegsverbrecher über Italien nach Übersee entkamen.
Innsbruck: Studienverlag 2008.
380 S. – fest geb.: € 29.90
ISBN 978-3-7065-4026-1